Es ist diesig an diesem Tag in Großenbrode. Und kühl. Außentemperatur: knappe sieben Grad Celsius. Wolfgang Kulow kommt standesgemäß mit dem Fahrrad zum Strand. Denn Sport gehört zu seinem Leben, wie Seebrücken an die Ostsee.
Er ist in Großenbrode aufgewachsen und durch die damals dort ansässige Marine schon früh mit dem Tauchen in Berührung gekommen. Wasser ist für ihn ein Element, in dem er sich besonders wohlfühlt. Auch, wenn es kalt ist. Als Abenteurer und Extremsportler hat Wolfgang Kulow schon viele verrückte Dinge gemacht. Er hat Fehmarn schwimmend umrundet, ist durch Sand- und Eiswüsten gelaufen und hat einen Unterwasser-Marathon absolviert.
Wellness bedeutet für Extremsportler wie Wolfgang Kulow: Eisbaden in der Ostsee. Schon als Jugendlicher fuhr er immer mit dem Rennrad zum neujährlichen Anbaden nach Fehmarn. Die Landjugend dort war es, die das Anbaden als winterliche Herausforderung etablierte. Heute ist es ein Neujahrs-Happening in vielen Orten an der Ostsee in Schleswig-Holstein, das viele Menschen an den Strand lockt. Zum einen sind dann diejenigen dabei, die selbst ins Wasser gehen. „Manche sind zum ersten Mal dabei, manche haben vielleicht eine Wette verloren und alle wissen: Das wird jetzt gleich kalt und ungemütlich.“ Zum anderen sind da aber auch jede Menge Schaulustige, die lieber ein Heißgetränk in der Hand als eisiges Wasser an den Füßen haben. Wolfgang Kulow ist überzeugt: Jeder kann im Winter in der Ostsee baden. Außer vielleicht Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen. „Mal kurz rein und wieder raus, und alles ist wieder klar im Kopf.“, sagt er. Die Wirkung eines solchen Bades kennt der 72-Jährige. Regelmäßig geht Wolfgang Kulow im Winter in der Ostsee Eisbaden, nicht nur an Neujahr.
Auf einer drehbaren Sonnenliege nahe der Seebrücke in Großenbrode hat Wolfgang einen Platz für seinen Rucksack gefunden. Dann holt er ein Handtuch, eine Badehose (normalerweise geht er ganz nackt in die Fluten) und Neopren-Schuhe hervor, zieht sich um und geht zügig durch den Sand. Am Wasser angekommen, legt er noch kurz sein Handtuch ab und stapft dann unerschrocken weiter in die vier Grad kalte Ostsee. 40 Meter läuft er hinaus, bis das Wasser tief genug für ein beherztes Reinknien ist. Kein Schrei, im Gegenteil: Mit den Händen schippt er sich noch mehr Wasser über den Körper. Dann kommt er auch schon zurück an Land, trocknet sich ab und blickt aufs Wasser. Wolfgang mag die Ostsee im Winter, weil er sie dann praktisch für sich allein hat. „Keiner mag ins kalte Wasser, ist ja klar. Aber wenn du dich dafür motivieren kannst, ist das eine ganz tolle Sache.“ Sich überwinden, Grenzen verschieben, den Horizont erweitern, das treibt ihn an. Und immer wieder in die Ostsee.