Perspektiven
Perspektiven
für den Tourismus
Markensituation und -entwicklung
Die Erarbeitung der letzten Tourismusstrategie erfolgte im Jahr 2017 und liegt somit schon einige Jahre zurück. Seitdem hat sich viel getan: Bereits damals bestehende sowie neue Trendsund Entwicklungen, wie beispielsweise der demographische Wandel, die zunehmende Digitalisierung, ein damit eng in Verbindungstehendes und sich stetig änderndes Gäste- und Besucherverhalten, ein stärkerer Fokus auf Nachhaltigkeit(Abbildung: UN-Nachhaltigkeitsziele) sowie der gesellschaftliche Wertewandel haben sich seither nochmals verstärkt und verändern die auf dem Tourismusmarkt herrschenden Rahmenbedingungen und Anforderungen entscheidend.
Langfristige Entwicklungen und Trends
In den vergangenen Jahren haben sich die Rahmenbedingungen für den Tourismus in der Region Ostsee Schleswig-Holstein maßgeblich verändert. Vier Treiber für grundlegende Veränderungen des Tourismussind hervorzuheben.
Die Ansprüche und Verhaltensweisen der Gäste werden zunehmend individueller. Für die Reisenden reicht es nicht mehr aus, das Reiseziel zu erleben, stattdessen wollen sie in die Lebenswelt vor Ort eintauchen. Dabei sind die folgenden Trends von hoher Bedeutung:
- Sehnsucht nach Authentizität und Einzigartigkeit
- Sinnsuche und Resonanz durch Eintauchen in die Welt der Bereisten
- mehr, aber kürzere Reisen
- Bedeutungszunahme der Nebensaisonzeiten
- größeres Sicherheitsbedürfnis
- hohes Qualitätsbewusstsein
Einheimische als Anspruchsgruppe rücken in den Fokus der Strategie, um ablehnenden Haltungen der Einheimischen zu vermeiden. Daher ist die Stärkung von Tourismusakzeptanz und -bewusstsein eine permanente Aufgabe für einen erfolgreichen Tourismus. In Hochfrequenzregionen, die zusätzlich starken Tagestourismus verzeichnen, wurden Partizipationsprozesse gestartet, um im Dialog mit den Einheimischen den Tourismus zu gestalten. Der Wunsch nach Wahrung der Identität und das Gefühl für einen verträglichen Tourismus bestehen. Einen sanften, naturbezogenen und nachhaltigen Tourismus im Einklang mit den Bedürfnissen der Bevölkerung zu entwickeln ist daher unerlässliche Voraussetzung für eine zukunftsfähige, akzeptierte Entwicklung. Der Fach- und Servicekräftemangel hat sich in den letzten Jahren nochmals massiv verstärkt. Mitarbeitende im Tourismus werden zu einem echten Engpass. Der Tourismus steht dabei in einer scharfen Konkurrenz zu anderen Branchen.
Mitarbeitendengewinnung und -bindung werden daher zu dem zentralen Erfolgsfaktor einer positiven Tourismusentwicklung auch im der Region Ostsee Schleswig-Holstein. In diesem Kontext sind neue Aufgaben, wie die Bearbeitung der sog. “Employee Journey” zu nennen. Analog zur Customer Journey wird dabei die „Reise“ der Mitarbeitenden in einem Unternehmen beschrieben. Diese bezieht sich auf die Identifikation mit den Werten und der Kultur des Arbeitsgebers.
Die Biodiversitätskrise, der Klimawandel und seine Folgen werden in den kommenden Jahren immer relevanter. Die ökologischen Grenzen der Tourismusentwicklung sind auch in der Region klar erkennbar. Der Fokus der Marktbearbeitung kann sich vor diesem Hintergrund nicht mehr nur auf Gästegewinnung beschränken. Vielmehr muss die Region Ostsee Schleswig-Holstein konsequent Verantwortung für eine ökologisch ausgerichtete Tourismusentwicklung übernehmen.
Mit der digitalen Transformation gehen umfassende Veränderung im Alltag, der Wirtschaft und der Gesellschaft einher. Der Einsatz digitaler Technologien führt zu einer Umgestaltung von Prozessen und Abläufen sowie der Entstehung neuartiger Produkte und Dienstleistungen auch in der Region Ostsee Schleswig-Holstein. Die Konsequenzen zeigen sich in allen Bereichen im Tourismus: Im Freizeit-, Informations-, Kommunikations- und Kaufverhalten verändert sich die Branche mit enormer Geschwindigkeit und großer Dynamik. Die Digitalisierung umfasst zum einen die digitale Kompetenz und Ausstattung der Tourismusorganisation in der Region, zum anderen das digital nutzbare Angebot entlang der gesamten touristischen Dienstleistungskette, einschließlich den dahinter liegenden Datenmanagement-Strategien und Datenhoheit- sowie Datenschutz-Standards. Die digitale Transformation wird die Komplexität und Dynamik des Marktes zukünftig weiter verstärken.
Auswirkung der Corona-Pandemie
Die Corona-Pandemie hat in den vergangenen Jahren neben dem privaten und öffentlichen Leben den Tourismusmarkt besonders stark getroffen. Die weitreichenden Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft werden noch weitaus länger zu spüren sein. Insgesamt stellt die Corona-Pandemie damit einen entscheidenden Wendepunkt für die Tourismusbranche dar, der Entwicklungen in beide Richtungen, sowohl positive als auch negative verstärkt hat. In Hinblick auf die Entwicklung für die Region Ostsee Schleswig-Holstein ergeben sich für die einzelnen Teilbereiche des Tourismus unterschiedliche Zukunftsszenarien.
Der freizeittouristische Bereich hat sich bis 2019 durch eine Qualitätsverbesserung sowie eine Konzentration auf den deutschen Markt positiv entwickelt. Ausgelöst durch die Pandemie ist das Bewusstsein für die heimische Region gestiegen. Die allgemeine Verstärkung des Natur- und Outdoortrends zeigt sich für die Region Ostsee Schleswig-Holstein positiv. Perspektivisch ist von weiterer Nachfrage in diesem Bereich auszugehen. Für die Region Ostsee Schleswig-Holstein ist daher insgesamt auf eine positive touristische Entwicklung zu schließen.
Der Incoming-Tourismus verzeichnete bis 2019 deutschlandweit ein dynamisches Wachstum. Von den negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie und ihren Folgen sind überwiegend Destinationen mit internationaler Fluganbindung betroffen. Da die Region Ostsee Schleswig-Holstein bereits in der Vergangenheit eher wenig vom Incoming-Tourismus profitierte, ist die Betroffenheit hiergeringer. Corona Pandemie als Beschleuniger der Digitalisierung, Nutzungdigitaler Angebote und Services sind "gesellschaftstauglicher“ geworden. Damit einhergehend ist auch die Sensibilisierung für den Umgang mit Nutzerdaten. Nutzer haben während der Pandemie Vorteile bei Digitalisierungsprozessen erkannt und das Angebot von digitalen Services genutzt.
Touristische Entwicklung der Region “Ostsee Schleswig-Holstein”
Die touristische Entwicklung der Region Ostsee Schleswig-Holstein verzeichnet in den letzten Jahren ein positives Wachstum. Selbst die Auswirkungen der Corona-Pandemie konnten diesen Trend nur unterbrechen. Bei der Betrachtung der Tourismusentwicklung für die Ostsee Schleswig-Holstein von 2006 bis 2022 ist hervorzuheben, dass die Ankünfte bis 2019 von 2,45 Mio. in 2006 bis 2019 auf 4,42 Mio. angestiegen sind. In den Jahren 2020 sind die Ankünfte um rund 1 Mio. auf 3,20 Mio. (2020) zurück gegangen und 2022 auf 4,54 Mio. gestiegen sind.
Ähnliche Werte sind für die Holsteinische Schweiz festzustellen. 2006 sind rund 180.000 Ankünfte zu verzeichnen, diese sind bis 2016 bis auf 230.000 angestiegen. In den letzten beiden Jahren gingen die Zahlen zurück auf 170.000 und im Jahr 2022 das Niveau von vor Corona mit 240.000 übertroffen wurde. Eine ähnliche Entwicklung ist hinsichtlich der Übernachtungszahlen festzustellen. Zwischen 2006 und 2019 stiegen die Übernachtungszahlen von 10,26 Mio. auf 17,20 Mio. analog zu den Ankunftszahlen sind die Übernachtungszahlen für die Region ebenfalls auf 14,80 Mio. in 2020 sowie 16,44 Mio. in 2021 zurückgegangen. 2022 wurde das bisher beste Ergebnis an der Ostsee SH mit 18,8 Millionen gemessen. Bezogen auf die Region Holsteinische Schweiz sind die Übernachtungen zwischen 2006 und 2019 von 850.000 bis auf 920.000 in 2019 angestiegen. Zudem gab es 2016 einen Spitzenwert von 970.000 Übernachtungen. In den Pandemie geprägten Jahren sind die Ü-Zahlen von 720.000 in 2020 auf 860.000 in 2021 angestiegen. 970.000 Übernachtungen wurden im Jahr 2022 gemessen.
Die Reisebereitschaft der Bevölkerung hat nur kurzfristig aufgrund der Corona-Pandemie 2020 einen Einbruch gebracht.
Im dänischen und schwedischen Markt sind die Ankünfte und Übernachtungen aus dem schwedischen Quellmarkt in den Jahren 2020 und 2021 stark eingebrochen und konnten sich bis 2022 nicht erholen.
Der letzte strategisch bedeutsame Wandel vollzog sich 2009/2010, als die Region den Wandel hin zu einer modernen und damit wettbewerbsfähigeren Destination angestoßen hat. Die neue Strategie ist vergleichbar mit den Wandlungsprozessen und der Grunderneuerung, wie es sich zur Zeit der Strategie aus dem Jahr 2009 vollzog.
Rahmenbedingungen auf Landesebene:
Tourismusstrategie Schleswig-Holstein 2030
Im April 2022 wurde die neue Tourismusstrategie Schleswig-Holstein 2030im Kabinett verabschiedet. Die Strategie umfasst eine strategische Neuausrichtung mit dem zentralen Fokus auf Nachhaltigkeit und die gleichwertige Berücksichtigung der drei Facetten “Ökonomie”, “Ökologie” und “Soziales”.
Sie ist als Reaktion auf die oben beschriebenen umfassenden Marktveränderungen im Tourismus zu verstehen. Nachhaltigkeit wird damit zum wesentlichen Leitmotiv und Qualitätsmerkmal für die zukünftige Tourismusentwicklung in Schleswig-Holstein. Während in der Vergangenheit primär die Gästeperspektive und das Erreichen der ökonomischen Ziele auf Landesebene fokussiert wurde, tritt anstelle dessen die ganzheitliche strategische Betrachtung der Tourismusentwicklung unter Berücksichtigung der Einwohner:innen und der Mitarbeitenden. Wirtschaftliche Ziele werden im Einklang mit sozialer Verantwortung und ökologischem Bewusstsein betrachtet. Die entsprechenden Handlungsbedarfe und Aufgabenbereiche für das Destinationsmanagementwerden abgeleitet. Die Vision des Landes “Schleswig-Holstein ist Vorreiter und Vorbild für nachhaltigen, verantwortungsbewussten Qualitätstourismus." unterstreicht die zukunftsgerichtete Perspektive. Auch in der gemeinsamen Mission, die folgende Leitsätze umfasst, ist die nachhaltige Ausrichtung konsequent verankert:
- Schleswig-Holstein ist begehrter Lebens-, Urlaubs-, und Arbeitsort
- Schleswig-Holstein setzt auf qualitatives Wachstum
- Schleswig-Holstein stärkt Qualität und Wertigkeit
- Schleswig-Holstein setzt regional unterschiedliche Schwerpunkte
- Schleswig-Holstein wird zur Ganzjahresdestination
Es wird deutlich, dass die Stärkung von Tourismusbewusstsein, eine resiliente Tourismuswirtschaft und die Förderung der Zufriedenheit von Gästen, Einheimischen und Mitarbeitenden zugleich wesentliche Schwerpunkte darstellen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Fokussierung auf qualitatives Wachstum und die Förderung einer gleichmäßigen Auslastung der Gäste über das gesamte Jahr von Relevanz. Darüber hinaus ist die Stärkung von Schwerpunktregionen im Binnenland ein ausschlaggebender Aspekt.
Handlungsfelder der Tourismusstrategie Schleswig-Holstein 2030.
Die Tourismusstrategie Schleswig-Holstein 2030 bietet damit eine grundlegende Orientierung für die Ausrichtung der neuen Strategie der Region Ostsee Schleswig-Holstein, die an die Landesstrategie anknüpfen soll. Nachhaltigkeit und eine verantwortungsvolle, akzeptierte Tourismusentwicklung im Einklang mit den verschiedenen Anspruchsgruppen gilt es auch in der Region konsequent zu fördern und eine gemeinsame Zielebene zu fokussieren.
Zwischenfazit: Perspektiven für die künftige Strategie der Region "Ostsee Schleswig-Holstein“
Die bisherige Strategie der Region fokussierte nahezu ausschließlich auf die Gewinnung und Bindung von Gästen und das Schaffen der Voraussetzungen für eine positive ökonomische Entwicklung des Tourismus in der Region. Dabei bemaß sich der Erfolg im Wesentlichen ansteigenden Gäste- und Übernachtungszahlen, der Auslösung von Investitionen in die beherbergungs- und freizeittouristische Infrastruktur und damit auf einem vorwiegend quantitativen Wachstum. Die Corona-Pandemie und ihre Folgen hat den epochalen Veränderungsprozess, in dem der Tourismus sich befindet, offengelegt:
- Neue Ziel- und Anspruchsgruppen: Neben den Gästen sind Einheimische, und Mitarbeitende im Tourismus gleichwertige Ziel-und Anspruchsgruppen, die es in der künftigen Tourismusstrategie der Region zu berücksichtigen gilt.
- Neue Aufgaben: Schlüssel für die Zukunftsentwicklung ist nicht das Tourismusmarketing, sondern Destinationsentwicklung und -management. Damit einher gehen auf regionaler und örtlicher Ebene in der Region Ostsee Schleswig-Holstein Veränderungen in den Aufgaben.
- Neuer Marktbearbeitungsfokus: Der Marktbearbeitungsfokus bleibt die Inspiration potenzieller Gäste. Die Gestaltung des Aufenthalterlebnisses vor Ort steht vermehrt im Fokus der LTOn. Gästemanagement und Besucherlenkung werden immer wichtiger.
- Neue Erfolgskennzahlen: Standen bisher vorwiegend quantitative Erfolgskennzahlen im Mittelpunkt, so gibt es auch an dieser Stelle weit reichende Veränderungen: Neue Ziele, eine neue strategische Ausrichtung und andere Zukunftsaufgaben führen zu neuen Erfolgskennzahlen, die in der Tourismusstrategie der Region Ostsee Schleswig-Holstein abzubilden sind.
- Neues Selbstverständnis: Im Mittelpunkt der künftigen Ausrichtung steht künftig das “Management des Erlebnisraums für Gäste und des Arbeits- und Lebensraums für die Einheimischen und Mitarbeitende”.
Damit setzt die Region eine gemeinwohlorientierte Tourismusstrategie auf, die sich konsequent an den drei Perspektiven der Nachhaltigkeit, der ökologischen, der ökonomischen und der sozialen Nachhaltigkeit, orientiert.
„Die Neuausrichtung der Tourismusstrategie nicht nur des Landes SH, sondern auch des Ostsee-Holstein Tourismus e. .V. unterstreicht die permanenten Anstrengungen der Touristiker der Ostsee-Schleswig-Holsteins, auf geänderte Marktsituationen zu reagieren. Das ambitionierte Ziel, letztendlich ostseeweit nachhaltige Lebens- und Erlebnisräume zu schaffen, zahlt exakt auf die Ausrichtung eines nachhaltigen, profilschärfenden und verantwortungsvollen Tourismus auf der Sonneninsel Fehmarn ein. Insbesondere im Hinblick auf die nahenden Herausforderungen durch die Baumaßnahmen im Zusammenhang mit der FFBQ bilden diese überregionalen und gemeinschaftlich beschlossenen Strategien mit Ihren unterschiedlichen Handlungsfeldern eine sehr gute Basis für das auf Deutschlands drittgrößter Insel entwickelte "Tourismusentwicklungskonzept Fehmarn 2030“."
- Oliver Behncke, Tourismusdirektor Tourismus-Service Fehmarn